Zwischen Kaffee und Kompass

Epilog: Drei Paar Schuhe vor der Tür

Drei Jahre später.
Das kleine Haus Casa Depois stand noch immer schief in der Sonne, als hätte es sich endgültig damit abgefunden, dass Perfektion nicht das Ziel war. Auf der Fensterbank thronte Egon – inzwischen umgezogen in einen neuen, quietschgelben Topf mit bemaltem Gesicht – und neigte sich ein wenig zur Seite, so als würde er zuhören.

Im Haus: das gewohnte Chaos.

Eine halbausgetrunkene Tasse Kaffee auf der Treppe.
Zwei unterschiedlich große Gummistiefel im Flur.
Eine Socke in der Obstschale (niemand wusste, warum).
Und ein dreijähriges Kind, das mitten im Wohnzimmer stand, mit einer Taschenlampe in der einen und einem Kochlöffel in der anderen Hand.

„Papa, ich bin jetzt Entdeckerin UND Bäckerin. Ich geh auf Schokokeksmission.“

Jonas schaute von seinem Laptop auf – sein „neuer“ Arbeitsplatz bestand aus einem alten Tisch, einer schiefen Leselampe und einem Kleinkind-Xylophon als Buchstütze.
„Dann solltest du vorher Proviant einpacken, Captain Mira.“

Sie nickte ernst. „Und Mama?“

„Mama schreibt.“

Im Hinterhof, zwischen halb vertrocknetem Basilikum und einer Hängematte mit Kaffeefleck, saß Louisa mit dem Laptop auf den Knien, barfuß, mit einem Notizheft im Schoß.

Sie schrieb nicht über Reisen.
Nicht über große Gesten oder doppelt belegte Hotelzimmer.
Sie schrieb über das Danach.
Über Zahnpasta-Farben, schlaflose Nächte, kleine Finger, große Fragen,
und wie sich Liebe verändert, wenn ein dritter Mensch sie mitdenkt.

Sie schrieb über Mira.
Über Jonas.
Und über sich selbst – wie sie manchmal immer noch Angst hatte, stehen zu bleiben.
Und wie schön es war, herauszufinden, dass Ankommen kein Stillstand bedeutete,
sondern nur:
Nicht mehr allein loslaufen müssen.

An der Tür standen jetzt drei Paar Schuhe.
Ein paar große, ordentlich nebeneinander gestellt.
Ein paar mittlere, eher künstlerisch verteilt.
Und ein Paar winzige, mit glitzernden Einhörnern, das fast täglich woanders auftauchte.

Mathilda stand am Rand des Grundstücks. Mit Moos auf dem Dach, einer rostigen Stoßstange – und einem liebevoll bemalten Herz auf der Seite.
Sie fuhr nur noch selten.
Aber sie war da.
Wie ein Kapitel, das man immer wieder gern liest.

An diesem Abend saßen sie alle drei auf der Terrasse.

Mira in der Mitte, Jonas links, Louisa rechts.

„Erzählt ihr mir wieder die Geschichte?“, fragte Mira.

„Welche?“, fragte Louisa.

„Die mit dem Hotel und dem Regen und dem Keks mit Chili.“

Jonas lachte.
„Die, in der du noch nicht geboren warst.“

„Ich war trotzdem schon unterwegs!“, rief Mira und stemmte die Hände in die Hüften.

Louisa küsste sie auf den Scheitel.
„Das warst du. Du warst das Kapitel, das sich schon geschrieben hat, bevor wir wussten, wie man es liest.“

Mira lächelte. Dann lehnte sie sich an ihre Mutter, gähnte einmal groß – und war kurze Zeit später eingeschlafen.

Jonas legte eine Decke über sie.
Louisa schloss die Augen.
Und zwischen all dem Ungeplanten, Unperfekten, Ungesagten –
war es wieder da.

Dieses Gefühl.
Nicht von „Jetzt ist alles vorbei“.
Sondern von:

Jetzt geht es wirklich los.

Und manchmal,
wenn sie abends auf der Terrasse saßen,
lauschten sie in die Stille –
und hörten sie ganz deutlich:
Die Fortsetzung.
Den nächsten Satz.
Den nächsten Schritt.

Und sie wussten:

Sie würden ihn zusammen gehen.
Mit zwei Kompassen.
Und einem Kind, das schon jetzt ganz genau wusste,
wohin ihr Herz gehörte.

Zu Hause.
Dorthin, wo drei Paar Schuhe vor der Tür stehen.
Und keiner mehr gehen muss.

Fortsetzung folgt...
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