Zwischen Kaffee und Kompass

Kapitel 13: Morgenroutine mit Herz

Der Himmel über ihnen war wolkenverhangen, als Mathilda mit einem etwas gereizten Quietschen die kurvige Straße entlangrollte, die zum kleinen Seehaus in Österreich führte. Es war das erste Mal, dass sie den Ort betraten, den Jonas vor Monaten heimlich reserviert hatte – als Backupplan, als Pauseknopf, als symbolisches „Irgendwann“.

Jetzt war irgendwann.

Und es war erstaunlich... unspektakulär.

„Das Haus ist kleiner, als ich dachte“, murmelte Louisa, während sie auf die knarzende Holzveranda trat.

„Es stand 'gemütlich' in der Beschreibung.“

„Das ist Maklersprache für 'die Dusche befindet sich näher an der Küche als gesundheitlich ratsam'.“

„Du meinst also: perfekt?“

Louisa lachte. „Genau das meine ich.“

Drinnen roch es nach Holz, alten Büchern und ein bisschen nach Abenteuer, das in den Wänden schlummerte. Es gab ein einziges Schlafzimmer mit einem Bett, das vermutlich älter war als Jonas' Ordnungssystem, ein Wohnzimmer mit Ofen, und eine kleine Küche, in der genau eine Person gleichzeitig stehen konnte – vorausgesetzt, sie hatte keine Jacke an.

Jonas war begeistert.

„Es ist perfekt sortierbar“, sagte er und inspizierte die Regale.

Louisa nickte. „Und gerade unordentlich genug, dass ich mich nicht fremd fühle.“

Sie schauten sich an – und wussten: Es war nicht das Haus, das sie glücklich machte. Es war, dass sie gemeinsam dort waren.

An diesem Tag passierte nichts Großes.

Sie räumten ein paar Bücher ein. Jonas sortierte Besteck. Louisa hing Postkarten auf eine Wäscheleine über dem Fenster. Sie tranken Kaffee, redeten über nichts und alles. Draußen nieselte es ein bisschen, dann hörte es wieder auf. Ein Vogel setzte sich auf die Fensterbank, betrachtete sie kurz – und flog weiter.

Jonas machte eine Playlist für regnerische Landhausabende. Louisa schrieb zwei Absätze für das nächste Buch, dann löschte sie beide wieder. Sie kochten Nudeln – sie falsch, er richtig. Dann aßen sie gemeinsam.

Am Abend saßen sie auf der Veranda in Decken gehüllt. Keine große Erkenntnis, kein Liebesdrama, kein Wendepunkt.

Und doch…

„Weißt du, was verrückt ist?“, sagte Louisa leise.

„Was?“

„Dass ich heute nichts fotografiert habe. Kein Sonnenuntergang, kein Buchcover, nicht mal deinen konzentrierten Koffer-Auspack-Blick.“

„Und das ist verrückt, weil…?“

„Weil es sich trotzdem wie einer der schönsten Tage anfühlt.“

Jonas sah sie lange an.

„Vielleicht, weil du nicht nach Erinnerungen jagst. Sondern gerade eine erlebst.“

Sie schloss die Augen.

„Ich glaube, das ist Liebe. Wenn die Stille nicht leer ist.“

In ihrem neuen Zuhause passierte in den kommenden Wochen vieles – aber eben anders als früher.

Keine spektakulären Roadtrips.

Keine zufällig entdeckten Lavendelfelder.

Keine Interviews, Buchpremieren oder doppelt belegten Hotelzimmer.

Stattdessen:
– Das Brummen der Kaffeemaschine am Morgen.
– Diskussionen darüber, ob Egon wirklich lebt oder nur tut.
– Jonas, der versuchte, dem Kühlschrank ein Ordnungssystem beizubringen.
– Louisa, die jeden zweiten Dienstag vergaß, dass es Müllabfuhrtag war.
– Und beide, die bei Regen zusammengerückt auf der Couch saßen und sich gegenseitig laut aus alten Tagebucheinträgen vorlasen.

Sie lebten.

Nicht spektakulär. Nicht perfekt. Aber miteinander.

Und irgendwann, an einem weiteren ganz normalen Tag, stand Louisa plötzlich in der Tür zum kleinen Arbeitszimmer – mit einem Notizbuch in der Hand, wild beschrieben, voller Seiten, voller Leben.

„Kapitel 14 ist fertig“, sagte sie.

„Titel?“, fragte Jonas.

Sie überlegte. Dann zuckte sie mit den Schultern.

„Vielleicht einfach: Und dann blieben sie.“

Jonas nickte. Und lächelte.

„Endlich mal ein Happy End, das nicht endet.“

Und draußen fiel der erste Schnee auf das Dach des kleinen Hauses am See.
Still.
Leise.
Und vollkommen genug.

Fortsetzung folgt...
Wörter: 553
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