Zwischen Kaffee und Kompass

Kapitel 14: Noch ohne Ende

Die Tage im Haus am See waren weich geworden. Nicht langweilig, nicht fade – eher wie gut eingelaufene Lieblingssocken: warm, vertraut, ein bisschen fusselig, aber genau richtig.

Jonas hatte eine neue Routine entwickelt: Aufstehen um 6:45 Uhr, ein Glas Wasser trinken, Kaffee aufsetzen (zwei Löffel, kein halber mehr), das Wetter notieren, Louisa zudecken, wenn sie sich im Schlaf wieder die Decke wegstrampelt, und sich dann mit einem Buch auf die Fensterbank setzen.

Louisa hatte auch eine neue Routine.
Sie ignorierte seine.

Sie stand irgendwann gegen neun auf, oft erst, wenn der Kaffeeduft sie wachgeküsst hatte, schlurfte barfuß in die Küche, vergaß, dass sie das Butterbrot von gestern nicht gegessen hatte, und setzte sich zu Jonas auf die Fensterbank, obwohl dort eigentlich nur eine Person sitzen konnte.

Sie passten trotzdem beide drauf.

„Heute ist Dienstag“, sagte Jonas eines Morgens.

„Das klingt so, als wär’s wichtig.“

„Es ist wichtig. Heute wäre Müllabfuhr.“

„Du bist mein persönlicher Kalender mit Espressoaroma.“

„Und du bist meine Erinnerung daran, dass Kalender auch ab und zu frei haben dürfen.“

Sie lächelten. Und blieben einfach sitzen. Der Müll war geduldig. Genau wie das Leben.

Im Frühling beschlossen sie, Mathilda wieder startklar zu machen. Nicht, weil sie fliehen wollten – sondern weil das Reisen nicht mehr Flucht war, sondern Rückkehr.

Rückkehr zu sich selbst. Zu dem, was sie verband.

Sie planten (ein bisschen), packten (ungeordnet) und nahmen nur das Nötigste mit:
– Ein paar Bücher.
– Egon, den immer noch fragwürdigen Kaktus.
– Zwei Tassen mit Sprung in der Glasur.
– Louisas Tagebuch.
– Jonas’ Listenheft.
– Und natürlich: Flip-Flops. Ein ganzes Fach voll.

Sie fuhren los. Ohne Ziel. Nur mit Gefühl.

Und überall, wo sie hielten – an einem Strand in Kroatien, an einem kleinen Leuchtturm in Dänemark, in einer Waldlichtung bei Innsbruck – fragte irgendjemand:

„Seid ihr das Paar aus dem Buch? Die mit dem Van und der doppelten Buchung?“

Und Louisa sagte dann oft lächelnd:
„Ja. Aber das war nur der Anfang.“

Denn mittlerweile waren sie kein „Paar aus einem Buch“ mehr. Sie waren:
– Zwei Menschen, die einander kannten – und trotzdem jeden Tag neu entdeckten.
– Zwei Herzen, die nicht perfekt zusammenpassten, aber sich jeden Tag bemühten, es trotzdem zu tun.
– Zwei Seelen, die gelernt hatten, dass Alltag nicht das Ende der Romantik ist, sondern ihr Anfang.

Jonas sagte manchmal: „Ich liebe, wie du mir meinen Plan durcheinanderbringst.“

Und Louisa antwortete dann: „Ich liebe, wie du in meinem Chaos Ordnung findest.“

Sie diskutierten nie mehr über doppelte Buchungen.

Aber sie fingen irgendwann an, Hotelzimmer absichtlich zu zweit zu buchen – auch wenn sie hätten zwei haben können.

Weil sie wussten:
Manchmal liegt das größte Abenteuer darin, jemandem morgens den Kaffee so zu kochen, wie er ihn mag.
Und ihn dann gemeinsam auf einer Fensterbank zu trinken, auf der eigentlich nur eine Person Platz hat.

Und das war das schönste Kapitel von allen.
Noch ohne Ende.
Weil sie jeden Tag daran weiterschrieben.
Gemeinsam.

Fortsetzung folgt...
Wörter: 477
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