Zwischen Kaffee und Kompass

Kapitel 19: Und dann warst du da

Der Regen kam plötzlich.

Nicht dramatisch. Kein Sturm, kein Donnergrollen. Nur ein gleichmäßiges, weiches Prasseln, das sich wie eine Decke über das kleine Haus legte. Die Fenster beschlugen, der Teekessel pfiff, und Louisa starrte auf das, was Jonas ihr gerade wortlos auf den Tisch gelegt hatte:

Ein Ultraschallbild.

Klein, schwarz-weiß, verschwommen – und doch eindeutig.

Sie sagte nichts. Und er auch nicht.

Für zehn Sekunden – die sich wie ein ganzes Leben anfühlten – war nur das Rauschen des Regens da. Und der leise Puls auf dem Bild. Ihr beider Blick daran geheftet, als wäre es das erste Mal, dass sie die Welt verstanden.

Dann hob Louisa langsam den Kopf.

„Jonas“, sagte sie, „du hast ein Kind gezeichnet.“

„Nein“, sagte er vorsichtig. „Ein Arzt hat es fotografiert.“

„Ich meine…“ Sie blinzelte, dann lachte sie, ein bisschen schrill, ein bisschen ungläubig. „Wir bekommen ein Baby?“

„Ich fürchte ja.“

„Aber ich hab doch… also… ich hatte… keine Symptome. Nur… seltsame Gelüste auf Radieschen mit Erdnussbutter. Und du hast gesagt, das sei psychosomatisch.“

„Es war psychosomatisch. Plus biologisch.“

Sie presste sich die Hände vors Gesicht, dann sah sie ihn an – ihre Augen groß, ihre Stimme klein.

„Bist du… bist du okay damit?“

Er trat zu ihr, legte eine Hand auf ihre Schulter und eine auf ihren Bauch.
Und flüsterte:

„Ich war noch nie so wenig vorbereitet. Und noch nie so bereit.“

Sie verbrachten die nächsten Tage damit, zu googeln, zu lachen, zu diskutieren und zu akzeptieren, dass nichts – nichts – sie auf diese neue Etappe vorbereitet hatte. Louisa schrieb plötzlich Listen. Jonas begann, alte Babynamenlisten zu analysieren. Egon bekam einen neuen Platz, weil „er sonst zu nah an den Wickeltisch kommt“.

Und Mathilda?

Die stand draußen im Regen, als wüsste sie: Es wird eng bald. Aber sie lächelte innerlich – so, wie ein Van eben lächelt – weil sie wusste, dass sie immer dazugehört.

Eines Nachts – es war der fünfte Monat, und Louisa bestand darauf, dass der Bauch sich „offiziell im Kuschelweg“ befinde – lagen sie im Bett, als Jonas flüsterte:

„Ich hab Angst.“

Sie drehte sich zu ihm. „Ich auch.“

„Nicht davor, ob wir das schaffen. Sondern davor, dass es vielleicht zu schön ist, um wahr zu sein.“

Louisa legte ihre Hand auf seinen Brustkorb.
„Du weißt doch: Das Schönste ist immer ein bisschen unaufgeräumt.“

Er lachte leise.

Und draußen fiel Regen auf das Dach. Auf Casa Depois. Auf die Geschichte, die neu begann – leise, wärmend, ungeplant.

Ein paar Wochen später schrieb Louisa in ihr Notizbuch:

Vielleicht beginnt Liebe nicht mit einem Kuss.
Sondern mit einem Herzschlag, den man noch nicht hören kann – aber fühlt.

Und darunter kritzelte Jonas, wie so oft:

(Anmerkung: Dieses Kapitel wird NICHT alphabetisch sortiert.)

Dann schauten sie sich an – zwei Menschen, erschöpft, gespannt, voller Angst und gleichzeitig bis zum Rand gefüllt mit einer neuen Art von Liebe.

Und irgendwo in ihnen wussten sie:
Das wird chaotisch.
Das wird laut.
Das wird wunderschön.

Denn manche Kapitel schreibt man nicht, weil man weiß, wie es geht.

Sondern weil man es gemeinsam lernt.

Fortsetzung folgt...
Wörter: 497
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