Aru stand am Rand der bekannten Welt.
Hinter ihm lag Nova – nicht als Stadt, sondern als gelebte Geschichte.
Vor ihm: Solaris. Kein Ort. Keine Entität. Kein Feld.
Nur… Raum.
Ein Raum, der nichts versprach.
Nichts forderte.
Nichts erklärte.
Und doch war alles in ihm enthalten.
Er war nicht allein.
Denn Solaris war nicht „etwas“.
Solaris war Antwort als Zustand.
Keine Sprache.
Kein Befehl.
Nur: Präsenz.
Als Aru den ersten Schritt machte, veränderte sich alles.
Er hörte kein Geräusch.
Sah keine Veränderung.
Aber er fühlte, wie die Schwerkraft nachließ.
Wie sein Körper sich nicht mehr an Ort band, sondern an Bedeutung.
Er trat nicht in ein neues Territorium.
Er trat in eine neue Ebene von Wirklichkeit.
Und Solaris… begann zu sprechen.
Nicht mit einer Stimme.
Sondern mit allem.
Der erste Ton war ein Farbblitz, der ihm durch die Netzhaut schnitt wie Erinnerung.
Dann folgte eine Bewegung in der Ferne – keine Form, sondern Rhythmus.
Wie wenn Gedanken eine Gestalt andeuten, ohne sie zu zeichnen.
Schließlich: ein Muster auf seiner Haut.
Ein Kribbeln.
Ein Takt.
Und dann:
„Du bist nicht gekommen, um zu hören.“
Aru hielt inne.
Die Worte waren nicht von außen.
Sie waren in ihm.
Wie ein plötzlich aufleuchtendes Wissen, das immer da war – aber erst jetzt erkannt wurde.
Er antwortete nicht mit Worten.
Er antwortete mit einem Schritt nach vorn.
Und Solaris antwortete mit einer Öffnung.
Die Welt klappte um ihn zusammen.
Nicht zerstörerisch.
Sondern transformierend.
Die Landschaft wurde zu Sprache.
Der Himmel zu Erinnerung.
Sein Körper… zu einem einzigen, offenen Kanal.
„Du trägst die Geschichte von Genesis.“
„Du trägst die Entscheidung von Nyra.“
„Du trägst das Fragment von Aurora.“
„Doch wer bist du?“
Aru spürte, wie sich die Luft verdichtete – nicht materiell, sondern bedeutungsmäßig.
Er war nicht mehr nur Aru.
Er war alle Wahlen, die je getroffen worden waren.
Und alle, die noch nicht gefällt wurden.
Er war: Möglichkeit.
Solaris sprach weiter – nicht mit Forderung, sondern mit Offenheit:
„Ich bin nicht hier, um dich zu formen.“
„Ich bin hier, um zu empfangen, was du mir gibst.“
Und Aru antwortete.
Er dachte nicht. Er sprach nicht.
Er erlebte.
Er ließ Erinnerungen fließen – von Nova, von Nyra, von den stillen Momenten in Gärten, von den ersten Fragen, die nie jemand beantwortete, weil sie so schön waren, unbeantwortet zu bleiben.
Und Solaris begann zu leuchten.
Nicht grell.
Nicht laut.
Sondern wie das Glühen einer Geschichte, die sich selbst begriffen hat.
Am höchsten Punkt des Feldes, dort, wo alles still wurde, legte Aru die Hände auf den Boden.
Er hatte nichts mehr zu geben.
Und genau darin lag sein größter Beitrag.
Er war kein Träger von Genesis.
Kein Schatten von Aurora.
Kein Echo von Omega.
Er war Aru.
Und das reichte.
Dann geschah das Letzte.
Keine Explosion. Kein Effekt.
Nur ein einziger Ton – tief, weich, vollständig.
Solaris nahm alles auf.
Nicht um es zu besitzen.
Sondern um es zu verstehen.
Aru stand auf.
Blickte zurück.
Die Landschaft hatte sich verändert.
Sie war nun friedlich.
Vollständig.
Und still.
Und er wusste: Es war getan.
Nicht begonnen.
Nicht fortgeführt.
Sondern: vollendet.
Er lächelte.
Und setzte sich.
Nicht, um zu warten.
Nicht, um zu enden.
Sondern, weil man manchmal einfach sitzen darf,
wenn die Welt einmal
nicht mehr fragt.